||: Ein Bein hier und ein Bein dort :||

||:ein Bein hier und ein Bein dort:|| ist eine Reise in den Kopf eines Kindes, zu all jenen Phantasiewesen, zu allen Erinnerungen, zu den Träumen und Gedanken, die dort ihren Platz haben. Vor allem aber zu jenen Parallelwelten, die in den Köpfen leben – gespeist aus Phantasie oder Erinnerung. Es sind die Orte, an denen die Monster wohnen – die guten und die bösen – , Orte an denen das Grauen herrscht und solche, die Heimat und Trost bedeuten.

Die Fragen, die ich mir und auch den Kindern gestellt hatte waren: Was passiert mit Dir, wenn Du die Welt und fast alle vertrauten Zusammenhänge wechselst? Was bedeutet es für deine Phantasie, deine Bilder im Kopf, auch deine Bewegungen, deinen Körper, wenn sich deren kulturelle Zusammenhänge auflösen? Was für Strategien werden entwickelt, um mit der Fremdheit zurechtzukommen? Wie nimmt man Raum ein und wie macht man sich ihn zu eigen? Und: Wird die eigene Heimat auf Dauer zu einem Phantasieort – ob im Guten oder Bösen?“ (Anna Konjetzky)

Chipping

Alles vibriert: In Anna Konjetzkys chipping ist die Bühne in ständiger Bewegung: Kuben fahren hin und her – mal langsam und kaum zu sehen, mal schnell und scheinbar alles überrollend. Videoprojektionen überfluten, der Tänzerkörper wird verschluckt. Der Körper, der sich hier beständig neuen Gegebenheiten anpassen muss, der sich in einem schwankenden Stück Raum seinen Weg sucht: Jeder Schritt ein neuer Balanceakt, jede Bewegung immer neu gedacht, neu austariert, jeder Weg neu gefunden. Selbst der passive Körper kann auf dieser Bühne nicht ruhen, der bewegte Raum treibt ihn ständig an – bis zur Erschöpfung und darüber hinaus.

Rastlosigkeit ist für mich als Bewegungsforschung sehr spannend, aber natürlich ist sie auch ein gesellschaftlicher Zustand: Informationsüberflutung, Erreichbar- und Verfügbarkeit, grenzenlose Entscheidungsfreiheit und das Dictum permanenter Leistungsfähigkeit sind ein gesellschaftlicher Raum, der uns beständig zu „Schritten“ zwingt – oder sie ermöglicht.“ (Anna Konjetzky)

RADIKAL. MONUMENT DER VERWESUNG

„Wenn alle zugeben, dass es falsch läuft, warum ändert sich dann nichts?“

In einem Fernsehstudio, das keines ist, probt ein Talkshowkönig namens Markus Lanz den Aufstand und ein Schauspieler namens Matthias Schweighöfer bewirbt seinen neuen Film: Ein Historienepos über den syrischen Eremiten und späteren Säulenheiligen Symeon. Und auf einmal stehen sie alle im Raum, die ganz großen Fragen! Nach der Ungerechtigkeit der Welt, dem Ausbleiben der Revolution und der verschollenen Radikalität. Schon wird wieder diskutiert. Zwar nicht über Gott und die Welt, dafür aber über den Teufel und die Apokalypse. Lässt sich so die Welt verändern? Verbessern? Oder wenigstens zerstören?

Seit 2011 entwickelt das Theaterkollektiv Fake to Pretend Stücke und Performances. Die Gruppe versteht sich als Produktionsplattform, dramaturgischer Think Tank und Theaternetzwerk für ästhetische Experimente mit politischem Anspruch. Radikal. Monument der Verwesung ist anarchischer Polittalk, archaisches Bildertheater und eine intensive Auseinandersetzung mit Radikalismus: Eine lyrische Monumentalgroteske zwischen Revolution und Resignation, in der die Mao-Bibel weit weniger zu Wort kommt als das Alte Testament, und die Welt auch nicht dauernd untergehen muss. Die Legende des ersten Säulenheiligen wird zum Dreh- und Angelpunkt für eine tragikomische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Debattenkultur, der Konsensfähigkeit linker Diskurse und der Folgenlosigkeit des Widerstands.
Zwei weitere Teile, Radikal.Geister und Dämonen und Radikal. Die Mitte der Gesellschaft werden folgen.

 


AKT. TRACING, REMEMBERING, FINDING POSES FROM OLYMPIA, VENUS AND US

Judith Hummels Performance AKT tracing, remembering, finding poses from Venus, Olympia and us befasst sich mit dem Aktmodell und wie dieses losgelöst aus dem Atelier, als eigenständiges Kunstwerk in einen performativ-installativen Rahmen gesetzt werden kann. Dabei untersucht sie die Schnittstelle von Bewegung und bildender Kunst. Drei Frauen unterschiedlichen Alters rekonstruieren und posieren in Aktpositionen verschiedener historischer Epochen bis ins Heute. Die Begegnung zwischen Modell und Betrachter wirft im (An-)Blick Fragen nach Subjekt und Objekt auf, provoziert Aspekte von Macht und trägt den ureigenen Vorgang der Kunst in sich: das Betrachten und Betrachtet Werden. Beide Seiten sind in permanenter, stummer Verhandlung um das Ausloten von Nähe und Distanz im Raum.AKT vereint Schönheit, Hässlichkeit, Naivität, Wahrheit.

hiSTOREy Ladengeschichten Köln

hiSTOREy Ladengeschichten führt die BesucherInnen aus dem Theater in die Stadt. In mehreren leerstehenden Ladenräumen setzen sich TänzerInnen in selbst erarbeiteten Soli mit den Geschichten der Räume auseinander. In Köln-Sülz, einem Stadtteil, dessen Gesicht sich schon nach zwei Straßenzügen völlig wandeln kann, blickt hiSTOREy in die Zwischenräume. Mit Tanz und Installation werden Geschichten des Ladenraums und des Stadtviertels erzählt. Auf welche Geschäfte, Menschen, historische Ereignisse und Kuriositäten wird man stoßen? Dieser Spur voller Bewegung folgt hiSTOREy. Der Spaziergang von Ladenraum zu Ladenraum verbindet die Performances miteinander und verführt das Publikum dazu, Un-Orte zu entdecken, deren Geschichte neu belebt wird.

hiSTOREy Ladengeschichten war zum ersten Mal 2012 im Münchner Stadtteil Maxvorstadt zu sehen. 2013 fand es in Giesing statt und wurde 2014 während des Festivals RODEO München erneut in Giesing produziert. 2015 erkundet hiSTOREy nun das Kölner Stadtbild beim Festival theaterszene europa der studiobühneköln.

GERMANIA Next Topmodel.

Geboren zu Beginn des 19. Jahrhunderts im australischen Niemandsland verliert Germania – Opfer einer tragischen Verwechslung – in frühen Jahren einen Baby-Schönheitswettbewerb. Tief getroffen lässt sie ihre australische Heimat ein für alle mal hinter sich und wandert hinaus in die Welt.

In Mitteleuropa trifft sie Phillip Veit – einen begabten deutschen Künstler -, der sie nach einer leidenschaftlichen Liason als Motiv für sich entdeckt, in einem Portrait verewigt und ihr damit ihre neue Bestimmung aufzeigt. Fortan tourt Germania als Modell für die deutsche Nationalidee und Ikone der Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts durch die deutschen Teilstaaten.

Jetzt, 200 Jahre später blickt sie – einer alternden Diva gleich – auf ihre lebhafte Vergangeneheit zurück, legt Zeugenschaft für die bewegte Geschichte der Frauenbilder in Deutschland ab. Eine Geschichte, während welcher sie über die Jahre hinweg immer wieder in neue Rollen gedrängt und mit neuen nationalen Verhältnissen in Deutschland konfrontiert wurde. Sie macht sich bereit für die Wachablösung am Rhein, für die Weitergabe der Reichinsignien an das nächste deutsche Topmodell.

Fast ein bisschen Frühling

Im Winter 1933 sind Waldemar Velte und Kurt Sandweg auf der Flucht vor Hoffnungslosigkeit und Gewalt unterwegs von Wuppertal nach Indien, um ihr Glück zu finden. Bereits in Stuttgart sind sie völlig mittellos und rauben eine Bank aus. Ihre Flucht endet in Basel. Dort verlieben sie sich in die Schallplattenverkäuferin Dorly Schupp und kaufen jeden Tag eine neue Tangoplatte. In eisigen Nächten spazieren die drei miteinander am Rhein entlang. Eine eigenwillige Nähe bei gleichzeitiger Fremdheit; Tangomusik und Schießereien – eine wahre Geschichte über unzertrennliche Freundschaft bis in den frühen Tod. Eine Suche nach Wahrheit im Leben und in der Liebe. Und eine Begegnung mit dem Glück. Alex Capus gehört zur Zeit zu den erfolgreichsten schweizerischen Schriftstellern. Mit großer sprachlicher Kraft hat er die fiktionale Erweiterung und Bearbeitung von Fakten zu seinem hauptsächlichen Erzählprinzip gemacht. Sein Roman „Fast ein bißchen Frühling“ aus dem Jahr 2002 ist eine fast schon klassische „Ménage à trois“. Tanya Häringer, Peter Lutz, Malte Kreutzfeldt, Dominik Obalski und Jörg Witte geht es jedoch nicht um eine Nacherzählung auf der Bühne, sie interessiert vielmehr die jeweils ganz eigene Perspektive des Puppenspiels, der Musik, des Films und des Schauspiels auf die Geschichte.

Doppelhamlet. Eine performative Installation

Papa ist tot. Onkel hat ihn umgebracht. Papa war König. Jetzt ist Onkel König. Und Mama schläft mit Onkel. Hamlet (Dänenprinz) hat ein Problem: Was tun? Es gibt zwei Hamlets. Der eine sagt: Die Wahrheit muss ans Licht! Mein privates Leid erzwingt den politischen Umsturz. Der andere sagt: Die Welt ist so kompliziert geworden. Ich nehme meine Pillen und genieße das Leben. Alles oder nichts!, sagt die verschmähte Ophelia und geht ins Wasser. Gertrud will lieber Königin bleiben: Die Macht ist besser als nichts. Kann man heute noch politisch denken? Kann man noch radikal sein? bösediva überträgt Motive aus Shakespeares „Hamlet“ in eine Ausstellung mit lebenden Kunstobjekten. Eine Einladung zur Hamletbegehung.

„Sie können sich frei im Raum bewegen. Sie sind völlig frei. Machen Sie sich ein Bild. Machen Sie sich ein anderes Bild“, so lautet eine Anweisung an das Publikum in der neuen Arbeit Doppelhamlet von bösediva. Und mit diesem ambivalenten Spiel von höflicher Einladung und unumgehbarer Aufforderung ist das Territorium markiert, in das die Zuschauer an diesem Abend gebeten sind, um ihre Erfahrungen mit Hamlet oder dem, was von Hamlet noch übrig ist, zu machen. Eindeutigkeit steht nicht zur Verfügung.

In der performativen Installation Doppelhamlet operieren bösediva leidenschaftlich, intrigant und radikal mit Widerständigkeiten. Inmitten der Videoprojektionen von Chris Kondek und den Soundcollagen von Jochen Arbeit errichten sie ein ästhetisches Regime präziser Unklarheit, einen eigenwilligen Nicht-Ort aus bestürzenden Bildern, Störgeräuschen und begehbaren Unbestimmtheitsräumen. Dort treffen sie auf die Performer Jochen Stechmann und John McKiernan, die sich im Wechsel von irritierender Verschlossenheit und körperlicher Verausgabung, in Zuständen von Aggression, Wahnsinn und hysterischer Nervosität der Begegnung mit den Zuschauern preisgeben. Für die Begegnung mit der Performerin Elisa Duca müssen die Besucher und Besucherinnen ein ganz besonderes Wagnis eingehen und ins Dunkle treten. So behauptet Doppelhamlet bewusst das Trennende, verweigert Zusammenhänge und erzeugt doch gerade in der gemeinsamen Erfahrung der Phantomschmerzen eines längst verlorenen Inhalts ein labiles Gleichgewicht, aus dem die Schönheit und Unerbittlichkeit des Abends entstehen. Sinn ist das, was übrig bleibt.

 

Ich sehe was, was du nicht siehst

Vier Fremde orientieren sich auf einem offenen Platz im Zentrum der Stadt. Es sind Zeitreisende aus einer fernen Zivilisation. Sie suchen nach den Ursprüngen einer Botschaft, die Mitte der 1970er Jahre auf eine goldenen Schallplatte gepresst und ins Weltall gesendet wurde. Sie enthält 115 Bilder, Grüße an die Finder in 56 Sprachen (inklusive der Sprache der Wale), eine zwölfminütige Geräuschcollage und 90 Minuten Musik.

ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST wirft einen fremden, unvoreingenommenen Blick auf unsere Welt. Der Platz, mit Passanten, Begegnungen und Bewegungen ist real. Die Zuschauer betrachten ihn gemeinsam mit den Schauspielern. Diese erzählen, kommentieren und dialogisieren, was sie sehen; über Mikroports sind sie mit den Zuschauern live verbunden. Auf das reale Bild legt sich über die Audiospur eine neue Wirklichkeit, wird das Vorhandene uminterpretiert und neu aufgeladen. So entstehen Imaginationsräume für Prognosen, Utopien und Paranoia. Was sehen wir? Eine Inflation? Den Weltuntergang? Unsterblichkeit? Auf jeden Fall ist keiner daran unbeteiligt.

Pathos Import>12

Sprechen wir über Leidenschaft: In der Reihe >IMPORT holt PATHOS München ab Dezember 2012 eine bemerkenswerte Auswahl wiederständiger Arbeiten aus der freien Theaterszene nach München. Gezeigt werden interdisziplinäre Formate und unkonventionelle Darstellungsformen, in denen sich das Unbegreifliche und Drängende neue performative Räume verschafft.

>IMPORT12 kommt aus Berlin: Zwei freie Produktionen, die im Jahr 2012 in den Sophiensaelen uraufgeführt wurden sind zu Gast im Schwere Reiter.